Obwohl wir heute faktisch mehr freie Zeit haben als Menschen noch vor 50 oder 70 Jahren, fühlen sich viele gehetzt und unter Druck. Möglicherweise fehlt uns ein Gespür und eine Bewusstheit für den Wert der Zeit.
Im Coaching meiner Klienten und im Gespräch mit Freunden stelle ich fest, dass unser Zeitgefühl (wieviel haben wir und wieviel brauchen wir) oft eine Frage der Bewertung und der eigenen Ansprüche ist.
Wir arbeiten möglicherweise zeitlich gar nicht mehr Stunden, sondern wir arbeiten heute anders. Wir arbeiten ständig, sind immer auf Empfang und nutzen wertvolle Momente der Zeit nicht: bewusste Pausen, der bewusste Feierabend, die bewusste Auszeit oder der Urlaub, in welchem ich nicht regelmäßig aufs Mobiltelefon schiele.
Arbeit und Leben fließen immer mehr ineinander. Der ein oder andere kann gut damit umgehen, Worcation ist das Stichwort, für viele Menschen verschwimmen die Grenzen.
Ich kenne viele Berufstätige, die auch nach Feierabend und im Urlaub erreichbar sind und "schnell mal eine Mail beantworten" oder ein wichtiges Telefonat führen, ich gehörte ehrlicherweise eine Zeit lang selbst dazu. Dieses Verhalten führt zu subjektivem Zeitmangel.
Wie erreichen wir einen bewussteren Umgang mit unserer Zeit?
Doch wie erreichen wir eine größere Bewusstheit für unseren Umgang mit der Zeit?
Im ersten Schritt geht es darum, Zeitfallen zu identifizieren.
Schreiben Sie einen Tag auf, wie Sie mit Ihrer Zeit umgehen und achten Sie auf folgendes:
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Wie gehen Sie mit der Technik, digitalen Geräten und sozialen Medien um?
Können Sie die Geräte ganz abschalten oder beantworten Sie zwischendurch mal eine Mail,
senden hier mal eine Whats-App-Nachricht oder schauen sich Klicks in ihren Social Media-Accounts an? Bis wann gehen Sie abends an Ihr Firmenhandy? Wie oft nehmen Sie im Urlaub berufliche Telefonate an oder beantworten Mails? - Wenn Sie die Antworten auf die ersten Fragen haben, überlegen Sie, wie Ihre freie Zeit dadurch fragmentiert wird, dass Sie Ihre Freizeit fortlaufend unterbrechen?
An die Arbeit zu denken, während man sich eigentlich entspannen will oder sollte, verursacht Stress im Unterbewusstsein – unser Körper produziert weiterhin Cortisol und kommt nicht zur Ruhe. Die Folge sind Einschlaf-Schwierigkeiten oder kurze Nächte, weil unser Unterbewusstsein auf Empfang ist und nicht zur Ruhe kommt.
Die Muskeln verspannen sich und wir wachen mit „Rücken“ oder „Nacken“ auf.
Der Umgang mit Zeit hat auch mit der Einstellung zu Arbeit generell zu tun.
Lange war es wichtig und wurde wie eine Auszeichnung vor sich hergetragen: die lange Anwesenheit im Büro und die Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit. Ich kann mich noch daran erinnern, dass in einem
Unternehmen, in dem ich in einer Stabsabteilung vor Jahren gearbeitet habe, nicht vor 20 Uhr gehen "durfte", egal ob man etwas zu tun hatte oder nicht. Natürlich durfte man, denn niemand hinderte
einen. Der Bereichsleiter ging allerdings kurz vor 20 Uhr über die Flure und schaute wie zufällig in die Büros, wer noch vor Ort war. Wer dann wiederholt nicht anwesend war, hatte es künftig
etwas schwerer. Diese Zeiten des Präsentismus sind vorbei. Oder doch nicht?
Gerade jetzt erlebe ich in einigen Unternehmen mit der Rückkehr vom Homeoffice in die Büros, dass die ein oder andere Unternehmensleitung oder Führungskraft die Präsenz im Büro wieder zur Pflicht macht.
Hinterfragen Sie sich selbst:
Wie wichtig ist Ihnen Arbeit?
3. Wie wichtig ist Ihnen Arbeit? Wie sehr brauchen Sie Arbeit für Ihre eigene Bedeutung?
Wie
sehr definieren Sie sich über Ihren Beruf?
Kommen Ihnen vor oder im Urlaub Gedanken wie „das Thema ist so wichtig, das kann
nur ich
persönlich regeln“ oder "wie es wohl beim Projekt XY steht"?
Um Ihr subjektives Zeitempfinden dahingehend zu verändern, dass sie Ihre bewusste Zeit vermehren, ist es wichtig, Ihre eigenen Gewohnheiten, wie Sie mit Zeit umgehen, zu verstehen.
4. Suchen Sie sich einen beliebigen Arbeitstag der Woche (nicht Freitag) und führen Sie ein Zeit-
Tagebuch. Halten Sie fest, was Sie tun und wie Sie sich dabei fühlen. Bewerten Sie hinterher auch,
ob diese Tätigkeit in Ihren Augen produktiv oder unproduktiv war. Und widmen Sie sich in der
Reflexion insbesondere den unproduktiven Tätigkeiten.
Je besser es Ihnen gelingt, bewusster mit Ihrer Zeit umzugehen, Zeitdiebe herauszufinden und unproduktive Tätigkeiten zu minimieren, desto mehr Zeit haben Sie.
Und dann kommen wir zum Kern:
5. Was fangen Sie mit mehr Zeit an?
Führen Sie Teams? Dann seien Sie Vorbild!
Wenn Sie Teams führen, seien Sie Vorbild im Umgang mit Zeit. Mitarbeitende nehmen ihre Führungskraft bewusst oder unbewusst als Vorbild für unterschiedliche Verhaltensweisen. Wenn die Führungskraft permanent erreichbar ist, sind viele im Team davon überzeugt, dass dies wichtig für Wertschätzung und das eigene Fortkommen ist.
Seien Sie Vorbild für den produktiven Umgang mit Zeit, leben Sie vor, dass Pausen der Gesundheit und dem Wohlbefinden dienen, dass niemand unersetzbar ist und fast alle anstehenden Aufgaben und Entscheidungen durch einen Vertreter wahrgenommen werden können.
Dass es sich lohnt, Zeit für angenehme Dinge zu haben.
Probieren Sie es mal aus, Sie machen das bestimmt gut!
Und für den Fall der Fälle: sprechen Sie mich an!