Wenn wir Zufriedenheit erreichen wollen, ist es wichtig, dass wir unsere Werte kennen.
In Beratungen von Klient*innen erlebe ich, dass diese Bewusstheit mit zunehmender Berufserfahrung aber auch Lebenserfahrung zunimmt, und die Frage „will ich das überhaupt?“ an Bedeutung gewinnt.
Wir können heute – zumindest in der Regel – unseren Beruf und wie wir leben wollen, selbst wählen.
Welche Entscheidungskriterien dabei eine Rolle spielen, ist sehr unterschiedlich.
Neigung spielt oft eine Rolle oder die Verdienst- und Karrieremöglichkeiten, sofern mit einem Neigungsberuf ein weniger auskömmliches Gehalt verbunden ist.
In meinen Beratungen höre ich auch, dass die Berufswahl nicht immer selbstbestimmt erfolgt ist, sondern im Rahmen familiärer oder von unseren Eltern oder unserer Peergroup übernommenen Regeln und Einschärfungen entstanden ist:
„In unserer Familie wird Mann Arzt und Frau Lehrerin“.
„Mein Vater war auch Unternehmer“.
„Meine Eltern haben gesagt, Journalismus ist brotlose Kunst, mach lieber was Vernünftiges, also bin ich zur Bank gegangen“.
„Irgendwie weiß ich gar nicht, welche Talente ich habe, meine Freunde haben alle BWL studiert, da habe ich das auch gemacht.“
„Als Sozialpädagoge verdienst Du kein Geld, da wirst Du selbst zum Sozialfall“ hat mein Vater gesagt.
Mit der Zeit macht sich durch unbewussten oder bewussten Stress bemerkbar, wenn die Berufswahl pragmatisch oder fremdbestimmt war.
Werte verändern sich im Leben
Mit sich verändernden Werten spielt das absolute Einkommen oder der Status zunehmend weniger eine Rolle, sondern die Gesundheit und die Lebenszufriedenheit rücken in den Vordergrund.
Da ist zum Beispiel Peter (49), jemand aus meinem Bekanntenkreis, der seit 10 Jahren einen Teilzeit-Job ausübt. Er ist promovierter Historiker und arbeitet in Teilzeit als Redakteur bei einem Kultur-Magazin. Er lebt bescheiden, hat eine kleine Wohnung und fährt nicht auf die Malediven, sondern an die Ostseeküste nach Mecklenburg. Und er ist zufrieden, gesund und hat weniger Stress und mehr Lebensqualität als in seinem ehemaligen Job als Chefredakteur.
Er sagt, er braucht nicht viel zum Leben, sitzt nachmittags lieber mit einem Buch an der Alster, wenn andere ihren Fulltime-Job haben und genießt seine freie Zeit. Teure Restaurants und Designermode vermisst er nicht. Eine Entscheidung, die ihren Preis hat und Peter ist bereit, ihn zu zahlen.
Da ist Britta (51). Sie ist leitend im Vertrieb eines internationalen Modeunternehmens tätig. Sie war in den internationalen Top-Restaurants zu Hause, kaufte ihre Designergarderobe in Mailand und Paris und sah ihr Penthouse in Hamburg nur selten. Sie hatte Probleme mit der Ernährung, sie vertrug immer weniger Lebensmittel, schlief schlecht und hatte schlechte Blut- und Körperwerte.
Britta hat in der Corona-Pandemie viel von zu Hause gearbeitet und für sich selbst gekocht. Sie konnte Freunde treffen und wieder an einem regelmäßigen sozialen Leben teilnehmen und ihr geht es körperlich besser. Sie hat festgestellt, dass sie Vieles gar nicht vermisst. Jetzt wo alles wieder losgeht, ist Britta ins Coaching gekommen mit der Frage "Will ich das eigentlich wieder?".
Oft denken wir, unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Dabei begrenzen wir uns oft selbst.
Jede(r) kommt im Laufe seiner beruflichen Entwicklung irgendwann an einen Punkt, an dem er oder sie sich hinterfragt und auch andere Aspekte eine Rolle spielen.
Das kann nach 20 Jahren in demselben Unternehmen sein, wenn die nächste Rotation ansteht und eine Führungskraft sich innerhalb dieses Zeitraums zum 4. Mal auf eine Führungsposition neu bewerben muss. Neben der Frage „kann ich das“, wenn z.B. im Zuge der digitalen Transformation neue Anforderungen an Führung gestellt werden, meldet sich zuweilen auch die Frage „will ich das eigentlich“ oder „will ich das wiiiiirklich“?
Die Frage kann plötzlich eine Rolle spielen, wenn im Zuge einer Weiterentwicklung oder Rotation im Unternehmen ein Ortswechsel ansteht, von dem auch die Familie betroffen wäre. Will ich das wirklich? Eine Fernbeziehung führen oder die Familie umsiedeln? Da sind dann nicht nur die Kinder betroffen, sondern oft auch der /die ebenfalls berufstätige Partner*in.
Das kann nach einer Beförderung in eine höhere Hierarchieebene erfolgen, wenn ich feststelle, dass zu meiner Rolle jetzt Inhalte gehören, die mir keinen Spaß machen oder mir nicht liegen. Wenn ich bisher z.B. in einer Führungsaufgabe tätig war, in der es zu meinen Aufgaben gehörte zu Netzwerken, Kundengespräche zu führen und viel unterwegs zu sein, dann mag ich vielleicht die mit der höheren Hierarchieebene verbundenen politisch-/strategischen Inhalte meiner Rolle weniger. Nun kann ich versuchen, mich einzurichten und meine Rolle zu gestalten. Wenn ich aber wesentliche Inhalte ausblende, nicht wahrnehme oder aussitze, dann wird das Macht-Vakuum größer, die Konflikte nehmen zu und meine zunächst noch unbewusste Unzufriedenheit macht sich punktuell durch Gereiztheit bemerkbar. Abgesehen davon, dass ich meine Rolle nicht adäquat ausfülle.
Wenn ich jahrelang als erfolgreiche(r) Assistent*in und Officemanager*in arbeite, in dieser Zeit wechselnden Kollegen zugearbeitet habe, dann ist vielleicht der 11. Tandempartner-Wechsel der eine zu viel. Wenn ich dann vom Chef höre „Du musst flexibel sein“, oder „Sie müssen sich auf Frau Xy aber besser einstellen“, dann frage ich mich möglicherweise irgendwann „will ich das“?
Und diese Frage ist legitim! Ich höre vielfach „Aber ich arbeite doch für meine Existenz“! Wirklich?
Die Fragen sollten lauten
„Welches Leben will ich führen?“
„Welche Existenz will ich leben?“
„Was ist mir wichtig“?
„Was macht mich zufrieden?“
Und das kann tatsächlich der aktuelle oder angestrebte Job sein!
Oder auch nicht!
Es ist an der Zeit, das Leben zu leben, das Sie wirklich wollen
Sich selbst und seine Bedürfnisse wahrzunehmen, ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Zufriedenheit. Mithilfe wissenschaftlich fundierter Persönlichkeitsdiagnosen oder einer begleiteten Reflexion im Coaching kann das eigene Wertesystem bewusst gemacht werden.
Natürlich geht das auch mit Selbstreflexion, indem Sie sich Ihre 10 Topwerte aufschreiben, auf die Top 5 verdichten und Ihrer derzeitigen Situation einen Check unterziehen.
Aus der „fast lane“ auszuscheren und mal durchzuatmen, kann zu einem bewussteren Leben und Arbeiten und mehr Zufriedenheit führen.
Vielleicht ist es an der Zeit, das Unternehmen zu wechseln und sich nicht zum wiederholten Mal intern neu zu bewerben, statt die Erfahrung zu machen, trotz bisher guter Leistungen bestenfalls in einem „Naja-besser-als-nichts-Job“ zu landen. In einem anderen Unternehmen werden Ihre Erfahrungen, Kompetenzen und Ihre Persönlichkeit möglicherweise gerade gefragt.
Vielleicht ist es an der Zeit, sich einzugestehen, dass Ihnen ein anderer Arbeitsinhalt unabhängig von der Hierarchieebene mehr Spaß macht. Da verdienen Sie dann ein paar Euro weniger, aber wieviel Euro sind Ihnen Ihre Zufriedenheit und Ihre Gesundheit wert?
Und vielleicht ist es an der Zeit, alte Zöpfe abzuschneiden und an Ihrer derzeitigen Aufgabe etwas so zu verändern, dass Sie zufriedener sind.
Wenn Sie wissen, was Ihnen im Leben wichtig ist, dann können Sie Ihre berufliche Zukunft und Ihr Leben aktiv steuern, statt von äußeren Ereignissen gesteuert zu werden.
Das erfordert Bewusstheit, den Willen zur Selbstverantwortung und Mut.
Entscheiden Sie selbst, ob Sie alles, was Ihnen begegnet, machen wollen, machen müssen oder lieber doch nicht. Für ein begleitendes Sparring stehe ich gern zur Verfügung.
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Text Copyright Kathrin Rehbein