In einer Teamentwicklung entspann sich eine rege Diskussion rund um das Thema Wertschätzung.
Eine Führungskraft äußerte in etwas abschätzigem Ton "Also dass mir ständig jemand auf die Schulter klopft und mir sagt "das hast Du gut gemacht" brauche ich nicht." Darauf diskutierten die Teilnehmenden lebhaft darüber, wieviel "gut gemacht" angemessen sei.
Daraufhin streute ich drei Fragen ein:
- Wodurch fühlen Sie sich persönlich im beruflichen Kontext wertgeschätzt?
- Wie oft wünschen Sie sich diese Wertschätzung?
- Und vom wem?
Daraufhin entstand erst einmal Schweigen und niemand traute sich so recht, als erster etwas zu sagen.
Im Ergebnis entstanden bei 8 Führungskräften 8 unterschiedliche Definitionen davon, was jeder unter Wertschätzung versteht. Und alle Teilnehmenden hatten ein unterschiedlich großes Bedürfnis nach Wertschätzung.
Verantwortung übertragen bekommen
"Für mich ist es ein großes Zeichen von Wertschätzung, wenn ich die alleinige Verantwortung für ein Thema übertragen bekomme und meine Führungskraft und andere im Unternehmen mir zutrauen, etwas eigenständig zu gestalten und zu schaffen."
Ehrlich gemeintes Lob
"Ich freue mich schon ab und zu über ein "gut gemacht", wenn es denn ehrlich gemeint ist. dadurch habe ich das Gefühl, dass meine Führungskraft und andere sehen, was ich tue und dies auch würdigen."
Unter ehrlich gemeint verstand diejenige, dass das Lob angemessen und nicht zu überschwänglich sein sollte.
Freiheit und Vertrauen
"Wenn ich frei arbeiten kann, ohne dass jemand hinter mir steht und täglich fragt "wie weit sind Sie" und "kann ich schon mal ein Ergebnis sehen" , dann fühle ich, das ich das Vertrauen meiner Führungskraft habe und das beflügelt mich ungemein." Diese Teilnehmerin hatte als ihren höchsten Wert Autonomie auf eine Karte geschrieben.
Zeit und ungeteilte Aufmerksamkeit
"Wenn sich jemand Zeit nur für mich und mein Thema nimmt und ich die ungeteilte Aufmerksamkeit habe, dann ist das für mich die höchste Form der Wertschätzung. Ich hatte eine Chefin, die in der gemeinsamen Stunde im Monat nur für mich da war und sich wirklich Zeit genommen und sich mit mir und meinen ToDos beschäftigt hat. Das kannte ich aus meinem alten Unternehmen gar nicht."
Interesse an meiner Person
"Ich spüre tiefe Verbundenheit und Wertschätzung, wenn mein Chef ehrliches Interesse an mir als Mensch zeigt und nicht nur an mir als Rollenträger oder Arbeitskraft. Die Unterhaltung nebenbei, die Nachfrage wie es mir geht und das gute Zuhören, das sich gegenseitig auch menschlich besser kennenlernen". Diese Aussage kam von einer Führungskraft, die nach Riemann-Thomann eine hohe Nähe-Ausprägung hatte und der zwischenmenschlicher Austausch sehr wichtig war.
Würdigung meiner Leistungen
"Also ich brauche ab und zu Feedback und die Rückmeldung, dass ich mich entwickele und gute Leistungen gezeigt habe. Das zeigt mir, dass mein Chef meine Leistung einschätzen kann und an meiner Entwicklung interessiert ist."
Kontakt und Präsenz
"Ich brauche häufiger Kontakt zu meiner Führungskraft und auch Nähe, nicht immer räumlich, aber ich telefoniere schon gern täglich mit meinem Chef, gerade in Remote-Zeiten. Das gibt mir das Gefühl, nicht als Einzelkämpfer da draußen allein unterwegs, sondern Teil eines Teams zu sein".
Angemessene monetäre Vergütung
"Ich brauche hin und wieder auch ein "gut gemacht", noch mehr spüre ich Wertschätzung, wenn ich angemessen zu dem, was ich tue bezahlt werde. Und wenn meine Chefin das im Auge hat. Das ganze soll natürlich nicht nach dem Gießkannenprinzip aber schon gerecht zugehen."
Unbedingte Wertschätzung für das Sein und nicht nur für das Tun
Viele Erläuterungen von Wertschätzung zeigen, dass Wertschätzung viel mit Anerkennung für das Verhalten und gezeigte Leistung zu tun hat.
Einige Bedürfnisse zeigen deutlich, dass Menschen nicht nur für ihr Tun sondern für ihr Sein wertgeschätzt werden wollen.
Wir loben in deutschen Unternehmen immer noch zu wenig und wenn, dann lernen Führungskräfte, dass einem Lob erstmal eine gute Leistung vorausgehen muss.
Natürlich brauchen wir für unsere Entwicklung Feedback und das kann eine lobende oder auch eine wertschätzend geäußerte kritische Rückmeldung sein. Unbedingte Wertschätzung für das Sein, einfach so, dass jemand da ist, fühlt sich vielfach komisch und ungewohnt an, weil wir dies in unserer eigenen Erziehung und Sozialisation durch Schule, Studium und Berufstätigkeit oft nicht gelernt haben.
Schön, dass Du da bist
Unbedingte Wertschätzung oder unbedingte Anerkennung (in der Transaktionsanalyse sprechen wir von Stroke) bedeutet, den anderen als Menschen in seinem Sein zu sehen und wertzuschätzen, ohne dass dieser Mensch dafür etwas leisten muss. Einfach so, weil er oder sie da ist, zum Team gehört, ein wertvoller Mensch ist.
Wie könnte das aussehen:
"Schön, dass Sie da sind",
"Ich freue mich, dass wir heute telefoniert haben",
"Ich tausche mich gern mit Ihnen aus",
"Ich freue mich, dass Sie im Team sind" oder "dass wir zusammenarbeiten",
"Ich schätze Ihren Humor",
"Ich freue mich, Sie zu sehen".
Einfach so. Probieren Sie es mal. Und wenn Sie sich selbst dabei komisch fühlen, weil es ja "keinen konkreten Anlass gibt", dann fangen Sie vorsichtig an. Lassen Sie sich nicht verunsichern, wenn Ihr Gegenüber unsicher oder etwas beschämt reagiert. Das zeigt nur, dass ein unbedingtes Lob für das Sein auch für das Gegenüber ungewohnt ist.
Wenn Ihnen dies in Fleisch und Blut übergeht, werden Sie sehen, was das mit Ihren Mitarbeitenden und Ihrer Teamkultur im positiven Sinn macht.
Sie machen das gut!
Sie wollen Ihr Führungsverhalten reflektieren oder mit Ihrem Team eine wertschätzende Führungskultur entwickeln? Sprechen Sie mich an, für Coaching, Teamentwicklung oder Beratung.