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Reaktanz - die kleine Schwester des Widerstands


Die meisten von uns kennen das Gefühl: wenn unser Handlungs- oder Entscheidungsspielraum durch etwas oder jemanden von außen eingeengt zu werden droht, regt sich Widerstand in uns und der Gedanke: "Nö. Jetzt erst recht".

In der Psychologie wird Reaktanz so beschrieben, das sie eine Motivation zu Wiederherstellung eingeengter oder eliminierter Freiheitsspielräume ist.

Reaktanz wertet bedrohte oder verlorengegangene Möglichkeiten und Handlungsspielräume unwillkürlich auf. Das Verlorengegelaubte erhält eine Bedeutung, die es oft nie hatte.


Wo tritt Reaktanz auf? 

Reaktanz zeigt sich üblicherweise bei

👉 Verboten: wenn bisher erlaubtes oder toleriertes Verhalten eingeschränkt oder verboten wird, können Menschen dies als Bevormundung und Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit empfinden und sich bewusst nicht an das Verbot halten.
Das kann eine simple Verhaltensregel sein: Zu Meetings kommen wir künftig pünktlich!

👉 Bei Begrenzung von Ressourcen oder Ressourcen-Knappheit: 
Sich an Regeln zu halten, die den Bezug eines knappen Gutes begrenzen, kann dazu führen, dass Menschen genau das Gegenteil tun. Sie beschränken sich nicht selbst, sondern versuchen, soviel wie möglich von der knappen Ressource zu erhalten oder diese zu horten.
Denke an die Corona-Zeiten zurück, als Menschen Nudeln und Toilettenpapier gehortet haben.

👉 Bei als plump und durchschaubar empfundenen Versuchen, die eigene Überzeugung oder Meinung zu beeinflussen.


Wie macht sich Reaktanz bemerkbar?

Reaktanz kann als ähnliches Verhalten beschrieben werden, wie das Trotzverhalten eines Kindes. Immer dann, wenn sich Individuen in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt fühlen, kann Reaktanz entstehen.
Dies ist oft verbunden mit starken Emotionen wie Wut, einem Verlustgefühl und negativen Gedanken. Die Wut zeigt sicher aber nicht nach außen, das wäre ja offener Widerstand, sondern brodelt im Inneren.

Je stärker die Einschränkung als solche empfunden wird, desto stärker fällt die Reaktion aus. Reaktanz zeigt sich in der Regel nicht offen, sondern eher in Form eines passiven Widerstands.

"Ich höre zwar, was Du sagst, tue jetzt aber gerade nicht, was Du willst."

Das kann Erwartungen der Führungskraft, des Partners oder der Partnerin sowie Veränderungsprozesse in Unternehmen oder Teams betreffen.

Wenn sich Führungskräfte die Frage stellen "Spreche ich eigentlich chinesisch? Ich habe doch klar und deutlich formuliert, dass... . Alle haben genickt und einige halten sich nicht dran" , ist wahrscheinlich Reaktanz im Spiel.

Offener Widerstand kann anstrengend sein und wird von Führungskräften hin und wieder auch als bedrohlich empfunden.  Die kleine Schwester des Widerstands, die Reaktanz kostet ebenso Zeit und Mühe und unterstützt nicht gerade die Umsetzungsmotivation bei Führungskräften und Teammitgliedern.


Was können Führungskräfte tun, um Reaktanz zu minimieren?

Es gibt leider keinen Zaubertrank gegen Reaktanz. Allerdings kann sie durch eine gute kommunikative Vorbereitung reduziert werden.

Zuweilen erlebe ich, dass in Unternehmen versucht wird, alles bis zum großen Knall unter der Decke zu halten. Das gelingt meistens sowieso nicht.

Bevor wichtige Maßnahmen oder einschneidende Veränderungen verkündet werden, können Vorwarnungen und Vorankündigungen dazu beitragen, dass Menschen sich als erwachsen behandelt fühlen und durch eine Vorwegnahme des vermeintlich "Schrecklichen" die tatsächliche Veränderung gar nicht mehr als so schrecklich erlebt wird. Dabei können einige Aspekte und Inhalte der Kommunikation dazu führen, dass Menschen nicht in den passiven Widerstand gehen:

🟢 Die Einladung zur Mitgestaltung und Betonung von Freiheitsgraden und Optionen bei der Umsetzung.

🟢 Die mit der Veränderung verbundenen Einschränkungen klar benennen und nicht beschönigen, den Fokus in der Kommunikation  jedoch stärker auf den Sinn und Nutzen richten.

🟢 Imperative Worte wie "müssen", "sollten" sowie Floskeln wie "alternativlos" möglichst vermeiden.

🟢 Empathie- und beziehungsfördernde Botschaften senden

🟢 Das "Wir" betonen und nicht einzelne Gruppen wie  "die Mitarbeitenden" oder "die Führungskräfte der 2. Führungsebene.."

🟢 Möglichst als Führungskraft und / oder Geschäftsführung selbst kommunizieren und sich nicht hinter "Sprechzetteln" von Experten verstecken.


Den Dialog und die Auseinandersetzung mit dem Neuen zulassen

Wichtig ist es, dem Team, den Mitarbeitenden Zeit zu geben und als Führungskraft ebenfalls Betroffenheit zu signalisieren "Hey, es betrifft uns alle".

Hol Ideen für die Umsetzung aus Deinem Team ein. Verwirf nicht zu schnell auch Dir zunächst verrückt erscheinende Ideen. 

 

Versuche in Resonanz zu gehen:

✅ "Ja, ich habe Dich verstanden". Punkt.
Dies bedeutet, die andere Meinung gelten und erstmal als solche stehen zu lassen.

✅ "Ja, ich denke darüber nach" statt eine Idee oder einen Gedanken sofort abzuwehren und mit einem Sachargument "Aber wir müssen.." zu rechtfertigen.

 

Letztlich stellen sich Menschen in Veränderungsprozessen zunächst die Frage "Und was ist mit mir?" Und das ist legitim.


Reaktanz in bilateralen Führungskräfte-/Beziehungen

Gerade in Beziehungen zwischen Teammitgliedern oder Mitarbeitenden und Führungskraft stellt sich zuweilen auch Reaktanz ein, wenn sich einer der Beteiligten in seiner Freiheit eingeschränkt fühlt. 

Wenn die Führungskraft z.B. Einfluss auf die Termingestaltung ihres Mitarbeitenden nimmt, kann es dazu kommen, dass dieser die Erwartungen erst recht nicht umsetzt, wenn er oder sie sich in ihrer Selbstbestimmung eingeschränkt sieht. Dabei gibt es den schmalen Grad des Erfolges. Wenn der Mitarbeitende mit seiner Art der Termingestaltung erfolgreich ist, empfehle ich der Führungskraft eher die lange Leine als die eigenen Vorstellungen durchzusetzen. 

Wenn mit der Rolle des Mitarbeitenden jedoch terminliche ToDos verbunden sind und sich der Erfolg nicht einstellt, dann darf die Führungskraft Erwartungen aussprechen und die Erfüllung dieser nachhalten. Auch wenn dies zu Reaktanz führt. Es hilft dann nur ein offenes Gespräch auf Augenhöhe. 

Du möchtest Dich austauschen und Dein Verhalten als Führungskraft reflektieren?

Du befindest Dich in Veränderungsprozessen und wünscht Dir Begleitung?

Du willst eine Team-Entwicklung durchführen?

Ich freue mich auf Dich!