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NEIN ! Warum Nein-Sagen Mut erfordert


Warum fällt es uns häufig so schwer, NEIN zu sagen, wenn wir NEIN meinen? Da quetschen wir dann zuweilen ein gequältes JA heraus, das aufmerksame Beobachter als eindeutig nicht eindeutig wahrnehmen.

Oder wir antworten mit "Ja, aber" und zählen Voraussetzungen auf, die kaum erfüllbar sind und eigentlich NEIN meinen.

Du hast folgende Situationen sicher auch schon erlebt: Du wirst um etwas gebeten oder gefragt, wozu Du keine Lust hast oder was Du eigentlich nicht so gern möchtest:

  • eine weitere (unangenehme) Zusatzaufgabe, 
  • ein neues Projekt, das (weitere) Überstunden mit sich bringt,
  • die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage für ein Teammitglied, obwohl schon fast alle im Team weg sind,
  • der Tausch des Brückentags, für den Du schon konkrete Pläne hast, mit einer Kollegin, bei der sich an Brückentagen meistens irgendwelche Katastrophen anbahnen, für die sie "diesen Tag dringend braucht".
  • das Catering für die Feier Deiner Freundin koordinieren, obwohl sie das eigentlich auch selbst erledigen könnte
  • ein drittes oder viertes Ehrenamt, weil das niemand ausser Dir so gut kann
  • die Entsendung eines Mitarbeitenden in ein Projekt, obwohl Deine Abteilung ohnehin unterbesetzt ist usw. 

Es gibt Situationen, da sagst Du spontan JA und meinst es so. Das ist gut so. 

In anderen Situationen entscheiden Deine somatischen Marker spontan "NEIN" und parallel sagt Dein Verstand.."aber wenn ich das jetzt ablehne, dann..."  und heraus kommt ein nicht überzeugtes JA oder ein zaghaftes NEIN, das vom Gegenüber schnell beiseite geräumt wird.

Und dann gibt es Situationen, da spürst Du sofort, "NEIN, das will ich nicht". Wenn Du dies dann äußerst, ist das großartig. Glückwunsch dazu.

Es kann auch sein, dass Du Dich nicht traust, Dich klar abzugrenzen und rumdruckst. Und das Thema dann an der Backe hast, weil Du dieses NEIN nicht klar und laut ausgesprochen hast.  Damit bist Du nicht allein.


Woran liegt es, dass wir uns so schwer damit tun, NEIN zu sagen?

Dafür kann es mehrere Gründe geben, die oft in uns selbst liegen.

  1. Möglicherweise hast Du es in Deiner Herkunftsfamilie nicht gelernt, "NEIN" zu sagen. Du orientierst Dich an einem (elterlichen) Vorbild und hast den Wert Hilfsbereitschaft unreflektiert übernommen. Wenn Hilfsbereitschaft in altruistische Selbstaufopferung mündet , ist es höchste Zeit, eigene und übernommene Werte abzugleichen.

  2. Du verfügst über einen mehr oder weniger ausgeprägten Sei-gefällig-Antreiber. Dieser lässt Dich denken und fühlen, dass Du nur gemocht wirst, wenn Du es anderen recht machst. Und dazu gehört auch, anderen keine Bitte abzuschlagen.  
    Im Umkehrschluss: Wenn Du NEIN sagst, wirst Du nicht mehr gemocht.
    Auch dies ist meist um ein Muster aus der Kindheit/Jugend, bei dem auch das individuelle Bedürfnis nach Zugehörigkeit eine Rolle spielt. Wir Menschen wollen - auch evolutionär bedingt - zu unserer Sippe, unserer Familie oder unserem Unternehmen, zum Team - dazu gehören. 

  3. NEIN-Sagen könnte eine Gefahr der Ausgrenzung und des Auf-Sich-gestellt-Seins bedeuten und dieses Gefühl kann Dich an frühere schmerzhafte Erfahrungen erinnern, sodass Du dies vermeidest. Und halbherzig JA sagst.

  4. Ein weiterer Grund kann die Befürchtung sein, dass Du durch NEIN-Sagen neben Ausgrenzung und Nicht-Gemocht-Werden weitere Nachteile haben könntest: 
    schlechte Stimmung in Deinem Team, von Deiner Führungskraft nicht mehr geschätzt zu werden, keine Gehaltserhöhung zu erhalten oder von einer angestrebten Beförderung ausgeschlossen zu werden.
    Auch Sanktionen wie "vom Home-Office-zurück-ins-Büro-müssen" oder das Einbüssen anderer Vorteile können eine Rolle spielen. Dabei ist die Angst oder Sorge davor meist größer als die Gefahr selbst. 

Wenn wir sehen, dass der Andere unsere Hilfe wirklich dringend braucht, dann haben wir ein schlechtes Gewissen NEIN zu sagen und unsere Bedürfnisse nach vorn zu stellen, auch wenn uns Hilfe in diesem Moment nicht ohne weiteres möglich ist.

Auch die Unternehmenskultur kann explizit oder implizit dazu beitragen, dass NEIN-Sagen in  nicht gern gesehen ist.

 

"Du willst doch Karriere machen, oder?"

"Wenn Du hier etwas erreichen willst, musst Du Dich erstmal beweisen."

"Wer nicht mindestens 100 Überstunden hat, ist wohl nicht ausgelastet".

Den individuellen kulturellen Mustern auf die Spur zu kommen und aus diesen auszusteigen, ist ein Anfang.


NEIN - Sagen ist eine Frage der Haltung

Als wichtigste Voraussetzung für NEIN-Sagen-Können ist es, eine bewusste Haltung zu entwickeln:

  • Zu den wirklich eigenen Werten
  • Zu den eigenen Bedürfnissen
  • Zu Dir selbst: Du bist wichtig und Deine Bedürfnisse sind es auch
  • Du bist wertvoll und liebenswert, auch wenn Du es anderen mal nicht recht machst

Gib Dir selbst die Erlaubnis, dass Du Deine Bedürfnisse und Wünsche ernst nehmen und in den Vordergrund stellen darfst. Ohne schlechtes Gewissen, ohne die Sorge, dass Dich der Andere dauerhaft nicht mag.

Das bedeutet auch, einen Moment der Distanz aushalten zu lernen, wenn Dein Gegenüber, dem Du einen Wunsch abgelehnt hast, für den Moment unzufrieden ist.


Tipps für das NEIN-Sagen -Lernen

Wenn Du immer wieder in die Situation kommst, dass Du etwas übernimmst, was Du eigentlich nicht möchtest, dann probier das ein oder andere aus:

  1. Wenn Du Dich überrumpelt fühlst, sag nicht vorschnell ja, sondern bitte Dir Bedenkzeit aus. Den Airbag-Satz "Ich überlege mir das und gebe Ihnen morgen eine Rückmeldung" kannst Du üben und parat haben.
  2. Achte auf Deine Körpersignale. Ein Grummeln im Bauch, ein heisses Gefühl, eine Verspannung im Nacken, erhöhte Herzfrequenz deuten darauf hin, dass Dein emotionales Erfahrungsgedächtnis vor Deinem Verstand NEIN sagt. Wenn Du Dich mit einem Thema körperlich unwohl fühlst, ist das ein deutliches Signal genau zu überlegen, ob Du das wirklich willst.
  3. Wenn Du Dir Bedenkzeit verschafft hast, mach Dir Deine eigenen Bedürfnisse deutlich und überlege, welche Konsequenzen ein neues Projekt, Zusatzaufgaben oder die Unterbringung der Tochter von Freunden für das Sommersemester für Dich hat. Willst Du das? Gleichzeitig kannst Du auch die Konsequenzen des NEINs reflektieren.
  4. Wenn Du Dich für NEIN entschieden hast, übe das NEIN-Sagen vor dem Spiegel. Formuliere einen kurzen Satz mit fester Stimme und aufrechter Körperhaltung:
    "Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Aufgaben übernehmenDas kann in einem Monat anders aussehen, aber heute ist mir das leider nicht möglich. Dafür bitte ich um Verständnis".
  5. Wenn Du ein gutes Verhältnis zum Gegenüber hast, kannst Du eine Begründung geben. Allerdings Vorsicht mit Begründungen, sie können leicht nach Rechtfertigung aussehen und geben dem anderen eine Vorlage dafür, die Begründungen wegzuargumentieren.
  6. Wenn Du den Eindruck hast, dass Du immer wieder um einen Gefallen geben wirst, da Dein Kollege, Deine Partnerin oder Dein Mitbewohner zu bequem ist, das selbst zu erledigen und Dir mit Schmeicheleien kommt "Du kannst das doch viel schneller und besser als ich", spiele nicht den Retter, sondern sag klar NEIN oder "Ich schaffe das erst am Montag, wenn das bis dahin Zeit hat...". Meistens erledigt der Betreffende Das Thema dann selbst.

NEIN-Sagen-Lernen ist oft auch Persönlichkeitsentwicklung.

Das Loslassen übernommener Werte und Glaubenssätze, der Illusion kindlicher Geborgenheit "wenn ich es dem anderen recht mache, bin ich ok und werde gemocht" und der Bewusstheit für eigene Bedürfnisse sowie das Lernen, diese zu äußern und für diese einzustehen.

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