Mobbing am Arbeitsplatz durch die Führungskraft oder die Kollegen ist auch in Remote-Zeiten ein leider weiterhin verbreitetes Phänomen.
Dabei fühlen sich Mitarbeitende doppelt so häufig von ihrer Führungskraft gemobbt wie von den Kollegen oder anderen Personen im Unternehmen.
Betroffene sind oft Leistungsträger und unsicher, ob sie das Verhalten der Mobber richtig wahrnehmen oder einfach nur zu empfindlich sind. Gerade Führungskräfte tun sich zuweilen schwer damit, in Erwägung zu ziehen, dass sie gemobbt werden könnten. Dahinter steckt die Einstellung, keine Schwäche zeigen zu dürfen im Sinne „was nicht tötet, härtet ab“.
Innerhalb der Führungshierarchien arbeiten Mobber eher "über Bande" als direkt.
Hier kommen ruf- und imageschädigende Handlungen hinter dem Rücken des Betroffenen häufiger vor, da dies in der Regel schwerer nachzuweisen ist.
Mobbingopfer sind gut beraten, sich frühzeitig Unterstützung zu holen und eine Grenze zu ziehen, allerdings ist Mobbing im Einzelfall rechtlich schwer nachzuweisen, wenn es z.B. keine Zeugen oder Unterstützer gibt.
Und im Zweifel hat die eigene Gesundheit Vorrang vor arbeits- oder strafrechtlichem Stress und als Mobbingopfer solltest Du immer abwägen, ob Du dies durchstehen willst und kannst oder ob es sinnvoller ist, die Abteilung oder das Unternehmen zu wechseln, bevor Du nachhaltig Schaden nimmst.
Damit will ich nicht dazu raten, die Flucht zu ergreifen und den Mobber ungeschoren davonkommen zu lassen, es braucht jedoch eine realistische Abwägung der Chancen und Risiken.
Wie wird Mobbing definiert?
Unter Mobbing am Arbeitsplatz versteht man
- eine konfliktbelastete Kommunikation unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden, bei der
- die angegriffene Person unterlegen ist und
- von einer oder mehreren Personen systematisch und während längerer Zeit direkt oder indirekt angegriffen wird
- mit dem Ziel und/oder dem Effekt der Ausgrenzung
- und die angegriffene Person dies als Diskriminierung erlebt.
Das kann durch offene Anfeindungen, grobe Scherze, Erniedrigungen, Entwürdigungen, Beleidigungen, Psychoterror oder auch Rufschädigungen geschehen.
Ob und wann Mobbing vorliegt, hängt von der Einschätzung des Einzelfalls ab.
Es müssen Handlungen sein, die über das im gesellschaftlichen Umgang allgemein Übliche hinausgehen und es muss systematisches Handeln mit der Zielrichtung vorliegen, die Rechte oder die Persönlichkeit des Betroffenen zu beeinträchtigen.
Mobbing entsteht meist dort, wo Menschen (z.B. in einem Büro) eine nicht freiwillige Gemeinschaft bilden. Hier kann es zu Rivalitäten oder zu offenen Feindschaften kommen. Es können Konkurrenzdenken, Anfeindungen und Ausgrenzung entstehen.
Eine häufige Ursache von Mobbing ist ein geringes Selbstwertgefühl.
Der oder die Mobber stärken das eigene Ego, indem sie jemanden abwerten oder bei jemand anderem schlecht machen.
Weitere Ursachen von Mobbing können sein:
- unklare Zuständigkeiten und ein dadurch entstehendes Machtvakuum
- widersprüchliche Anweisungen
- Mängel in der Kommunikations- und Informationsstruktur
- Über- und Unterforderung
- Stress
- Ungerechte Arbeitsverteilung
- Kooperationszwänge
Straining, die subtilere Art, Opfer zu schädigen
Unter Straining in Differenzierung zum Mobbing wird ein Konflikt am Arbeitsplatz verstanden,
welcher nicht aus zahlreichen systematischen feindlichen Handlungen besteht, sondern bei dem nur wenige Handlungen (oft nur eine) einen weitreichenden negativen Effekt auf das Arbeitsleben des
Opfers haben und es nachhaltig in Stress versetzen.
Straining kommt aus dem englischen „to strain“ und bedeutet ziehen, spannen, belasten oder stressen.
In einer typischen Straining-Situation setzt ein Aggressor sein Opfer in eine
erzwungene (nicht durch die normale Arbeit erzeugte) Stresssituation mit langanhaltenden negativen Konsequenzen auf die Persönlichkeit und die
Arbeitsbedingungen. Meistens sind diese Handlungen willkürlich und ohne Bezug zur Leistung des Opfers.
Beispiele hierfür sind
- Versetzung in eine unliebsame Aufgabe oder an einen entfernten Arbeitsort gegen den Willen des Opfers
- Der berühmte Schreibtisch in der Ecke am Ende des Flurs, dadurch Abschneiden von Kontakten und Ausschluss vom Informationsfluss
- Herbeiführen von Unterforderung durch Beschneiden der Arbeitsaufgaben, dadurch Qualitätsverringerung bis hin zu Infrage-Stellen des bisherigen Jobs ohne dass dies unternehmensstrukturell begründet ist
- Herbeiführen quantitativer oder qualitativer Überforderung durch willkürlich gesteuerte hohe Arbeitsmengen oder inhaltlich schwierige Aufgaben
- Wegnahme beruflicher Chancen und Beförderungen durch permanenten Ausschluss von Weiterbildungen
Den Unterschied zwischen Arbeitsstress, Mobbing und Straining verdeutlicht folgende Tabelle:
Arbeitsstress = Unter-Druck- Situation |
Straining = Situation von erzwungenem Stress |
Mobbing = Konfliktsituation |
Ausgelöst durch die Natur der Arbeit oder durch mangelnde Organisation und Prozesse, in der Regel vorübergehend |
Ausgelöst durch Diskriminierung |
Ausgelöst durch |
Quelle: Straining: eine subtile Art von Mobbing, Harald Ege 2014
Der Fall aus der Praxis
Eine meiner Klientinnen schilderte im Coaching, dass sie mehrere Jahre erfolgreich als Leiterin der Abteilung Controlling in
einem großen Unternehmen tätig war.
Sie hatte die Abteilung über die Jahre neu und erfolgsorientiert ausgerichtet und sie war im Unternehmen und bei den Kollegen persönlich und fachlich anerkannt.
Mit ihrem neuen Chef stimmte die Chemie noch nicht so ganz, aber sie machte sich lange keine Gedanken darüber, dass ihr Job gefährdet sein könnte.
An einem Freitag teilte ihr Chef ihr mit, dass er im Rahmen einer Führungskräfte-Rotation für sie ab Montag eine neue Aufgabe vorgesehen hatte: sie sollte die Leitung ihrer Abteilung an einen Kollegen abgeben und künftig die Aufgabe als Leiterin des Einkaufs übernehmen. Statt bisher 30 Mitarbeitende sollte sie künftig
10 Mitarbeitende führen. Die neue Abteilung lag auch nicht im zentralen Bürogebäude des
Unternehmens, sondern war in einen Vorort ausgelagert und nur mit dem Auto erreichbar. Zudem fühlte meine Klientin sich als Diplombetriebswirtin und
Controllerin für diese Aufgabe überqualifiziert. Bedenkzeit hatte sie keine, denn ihr Chef kommunizierte ihr diese bereits mit der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat abgestimmte Veränderung als
Fakt.
Meine Klientin stand zunächst unter Schock, auch als ihr Chef ihr sagte, dass sich eine Weigerung nicht „gut machen und bei der Geschäftsleitung sehr sauer
aufstoßen würde“. Im Nachhinein erfuhr sie, dass ihr Chef die Rotation mit den anderen betroffenen Kollegen abgestimmt hatte, bevor er dies der Geschäftsleitung vorlegte, sie war die
einzige, die vor vollendete Tatsachen gestellt wurde.
Der von ihr hinzu gezogene Betriebsrat hatte keine starke Stellung im Unternehmen und zuckte nur mit den Schultern, so dass sie sich im Hinblick auf Sicherung ihres Arbeitsplatzes erstmal in die neue Situation fügte.
Dies ist ein klassisches Beispiel für Straining. Der willkürlich erzwungene Stress (kurzfristige Information, keine Wahlmöglichkeit, Druck und die bedeutende Veränderung der Arbeits- und Rahmenbedingungen) hatte nachhaltig negative Wirkung auf die persönliche und berufliche Situation meiner Klientin. Sie fuhr jetzt eineinhalb Stunden mit dem Auto, war bereits mittags mit ihrer Arbeit fertig und somit unterfordert und hatte keinen Zugang mehr zu wichtigen Informationen, wie in ihrer bisherigen Aufgabe. Zudem fiel diese Veränderung im Lebenslauf auf und wäre bei einer externen Bewerbung zu begründen.
Sie spürte nach einigen Wochen, dass sie sich nicht arrangieren konnte und kam zu mir ins Coaching. Die Situation hatte sehr an
ihrem Selbstwertgefühl genagt, denn die Versetzung hatte auch eine negative Wirkung auf ihr Image:
ihre bisherige Abteilung hatte einen hohen Stellenwert im Unternehmen, die neue Abteilung wurde eher als Abstellgleis gesehen. Und viele Kollegen tuschelten, dass da ja wohl
etwas vorgefallenen sein müsste.
Als erste Maßnahme nach der ersten Coaching-Sitzung hat meine Klientin einen Fachanwalt für
Arbeitsrecht hinzugezogen, auch wenn bereits einige Wochen ins Land gegangen waren.
Letztlich ging es darum, zur Sicherung ihrer beruflichen Existenz Schaden zu minimieren.
Des weiteren haben wir parallel zur arbeitsrechtlichen Bewertung erarbeitet, welche Optionen sie hat, und welche Auswirkungen und Erfolgsaussichten die
jeweilige Alternative mit sich bringt.
Im Ergebnis hat meine Klientin das Unternehmen verlassen und innerhalb kurzer
Zeit eine Anstellung als Leiterin Controlling in einem renommierten Unternehmen gefunden. Wir haben im Coaching ihre Positionierung besprochen und das Bewerbungsgespräch vorbereitet.
Parallel konnte sie außergerichtlich ein wohlwollendes Zeugnis und eine Abfindung verhandeln.
Meine Klientin hatte sich nichts zuschulden kommen lassen und es gab keinen leistungs- oder verhaltensbezogenen Anlass, der diese als Degradierung empfundene Versetzung gerechtfertigt hätte.
Allerdings war ihr bekannt, dass ihr ehemaliges Unternehmen vor deutlichen Rationalisierungsmaßnahmen stand und Personalabbau vorgesehen war. Aufgrund der Rahmenbedingungen und im Interesse ihrer psychischen und physischen Unversehrtheit hat sie sich letztlich für den Weg entschieden, das Unternehmen zu verlassen.
Strategische Ziele von Straining
Strategische Ziele von Straining können sein:
- Das Opfer in eine frustrierende Arbeitsplatzlage zu versetzen, in der Hoffnung, dass es freiwillig kündigt.
- Ein Motiv dabei kann auch Bestrafung sein: sich zu rächen oder ein Exempel zu statuieren
- Häufig dient Straining auch der Behinderung der Karriere des Opfers (Blockierung), gerade wenn dieses angesehen ist und der Strainer die Konkurrenz fürchtet
Oft kann zu Straining noch Mobbing (systematische regelmäßige Handlungen) hinzukommen,
insbesondere wenn das Opfer, anders als im Fall meiner Klientin, nicht freiwillig kündigt.
Was können Mobbing-Betroffene tun?
Rechtlich ist Mobbing schwer nachzuweisen und nicht bei jedem Konflikt handelt es sich um Mobbing. Betroffene können folgendes reflektieren bzw. tun:
-
Nicht jeder Konflikt ist Mobbing und nicht jede Versetzung oder Veränderung des
Arbeitsumfelds ist Straining. Manchmal ist eine Versetzung leistungsbedingt oder auch strukturell bedingt notwendig, z.B. auch, wenn jemand nach längerer Krankheit zurückkehrt und der
alte Arbeitsplatz nicht
offengehalten werden konnte, oder wenn Abteilungen zusammengelegt werden. - Insofern schau genau hin und hol Dir eine unabhängige Meinung Dritter ein.
- Kläre Konflikte und Missverständnisse sofort und schiebe dies nicht auf die lange Bank. Ein ungeklärter Konflikt wird eher größer, als das er von selbst verschwindet.
- Wenn Du bemerkst, dass Du wiederholt unberechtigter Kritik oder Angriffen ausgesetzt bist, wende Dich frühzeitig an den Betriebsrat, oder sofern sie nicht beteiligt ist, an Deine Führungskraft.
- Schaue auf Deine Arbeitsmenge. Es kann diesbezüglich immer mal Schwankungen geben, allerdings solltest Du wiederholte Zusatzaufgaben ablehnen und ins Gespräch mit Deiner Führungskraft gehen, wenn Kollegen deutlich mehr freie Kapazitäten haben als Du.
- Suche Dir Verbündete und schließe Dich mit Kollegen zusammen. Wenn Du Zeugen für Mobbingangriffe hast, wird die Beweislast einfacher.
- Wenn Du den Verdacht hast, dass Du ein Mobbing-Opfer bist, führe ein Mobbing-Tagebuch mit Datum, Uhrzeit, Zeugen, Vorfall. Ein Tagebuch kann auch dabei helfen, die Vorfälle zu objektivieren und festzustellen, dass vielleicht doch kein Mobbing vorliegt.
- Dokumentiere Deine Aufgaben.
- Suche gemeinsam mit dem Betriebsrat das Gespräch mit Deinem Vorgesetzten oder Arbeitgeber unter Einschaltung der Personalabteilung.
- Wenn Du unter körperlichen und seelischen Beschwerden leidest, lass diese von einem Arzt dokumentieren und bestätigen.
Was können von Straining Betroffene und Unternehmen tun?
Wenn Du von Straining betroffen bist, dann lasse Dich frühzeitig arbeitsrechtlich beraten, bevor
Du Fristen unterläufst und dadurch Ansprüche verlierst. Denn Straining ist oftmals ein einziger, die berufliche Karriere vernichtender Schlag,
auch wenn es zunächst subtiler daher kommt.
Holen Dir jemanden an die Seite, der Dich dabei unterstützt, eine Standortbestimmung vorzunehmen, das Erlebte einzuordnen, zu verarbeiten und in Optionen zu denken.
Unternehmenslenker und Personalabteilungen in größeren Unternehmen und Konzernen sind gefordert zu erkennen, wann Training im Zuge von Konkurrenzbeseitigung und Personalabbau an der Tagesordnung ist bzw. toleriert wird.
Der Führungsstil, die Unternehmenskultur und das innerbetriebliche Klima können positiv dazu beitragen, keinen Nährboden für Mobbing oder Training zu bereiten.
Geschäftsführungen und Top Management sollten deshalb sensibel sein und bei feststellen derartiger Verhaltensweisen unmissverständlich dafür stehen, dass Mobbing und Training nicht toleriert wird.
Wenn Du möglicherweise Betroffene(r) bist und einen neutralen Blick von der Seite brauchst, Unterstützung in schwierigen beruflichen Situationen oder bei der Positionierung in einem neuen beruflichen Umfeld wünscht, sprich Sie mich eher früher als später an.
Quellen: Tabelle und Anregungen aus Straining, Harald Ego 2014; Fotos: Pixabay