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"Man" statt "Ich" - Marotte oder steckt mehr dahinter?


Mir fällt in vielen Settings immer wieder auf, dass Menschen gern von "man" sprechen, wenn sie von sich selbst berichten oder sich in einer Situation befinden, in denen das Vertreten eines Standpunkts wichtig ist. Ich erlebe dies im Coaching, in Seminaren, in Meetings, in Teamentwicklungen und früher häufiger im Führungskontext.

"Man müsste denen mal sagen, dass..."

"Man müsste mal ein Meeting mit folgenden Inhalten ansetzen.."

"Man müsste die Führungsebene neu besetzen.."

"Man müsste dem Chef mal die Meinung sagen".

"Man ist immer unsicher in solchen Situationen und dann zieht man sich zurück".

"Man kann doch wohl erwarten, dass meine Führungskraft das kann"

 

Was ist das mit diesem "man"? Warum fällt es manchen Menschen so schwer, die eigene Meinung mit Ich zu vertreten, ein Gefühl in der Ich-Form zu beschreiben? Meiner Erfahrung nach kann dies mehrere Gründe haben. Nachstehend sind ein paar davon: 


Sich nicht festlegen wollen

Das "man" legt Dich nicht auf etwas Konkretes fest.
Mit "man" kannst Du, wenn Du es bewusst einsetzt, Stimmungen und Meinungen ausloten, ohne selbst Position zu beziehen:
"Man könnte das Problem so lösen... was meint Ihr dazu?"
Menschen, die sich ungern festlegen und dies durch die häufige und meist unbewusste Verwendung von "man" ausdrücken, werden eher ohne Profil und Konturen wahrgenommen. 

Wenn sie sich dann tatsächlich mal mit "Ich denke.." zu Wort melden, wird das unbewusst von der Gruppe abgebügelt.

Führungskräfte, die sich selbst ungern festlegen, werden von außen als Opportunist und / oder wenig durchsetzungsfähig wahrgenommen.


Bloss keine Verantwortung übernehmen

Menschen, die oft "man" in ihrer Kommunikation verwenden, wenn sie sich selbst meinen, sind  in dem Moment nicht bereit, Verantwortung für sich selbst und / oder ihre Meinung zu übernehmen. Das kann aus Angst vor Zurückweisung oder Beschämung geschehen, und/oder Ausdruck eines geringen Selbstwertgefühls sein.

Meistens zeigen sich hier noch Muster aus der Herkunftsfamilie, die früher nützlich waren, heute jedoch zu der Rolle und Umfeld des jeweiligen Menschen nicht mehr passen.

Wenn es in der Herkunftsfamilie eher strenger zuging und Meinungsvielfalt nicht erwünscht war, haben Kinder Stimmungen und Meinungen versucht auszuloten, um gemocht oder nicht bestraft zu werden.

Einer meiner Klienten, heute Bereichsleiter in einem Verlag, erkannte, dass in seiner Familie mit seinem dominanten Vater ein friedliches Leben nur möglich war, wenn alle sich der Meinung des Patriarchen unterordneten. Eine abweichende Meinung oder ein anderer Standpunkt wurden mit Liebesentzug und manchmal "Stubenarrest" bestraft.

Kein Wunder, dass diese Führungskraft sich bei ihren Mitarbeitenden eher wie der Vater aufführte und gegenüber der Geschäftsleitung und auf gleicher Hierarchieebene eher in sein kindliches Muster der Anpassung zurückfiel.


Harmoniesucht - es allen recht machen wollen

Im Coaching von und in Seminaren mit Frauen in Fach- und Führungspositionen ist das "man" oft ausgeprägt wahrnehmbar, was nicht heißt, dass Männer dies nicht verwenden.

In der Führungsrolle passt dieses Relikt aus der Kindheit, es allen recht machen zu wollen, sich anzupassen um Zugehörigkeit zu fühlen, oft gar nicht mehr. Meist drückt sich dies auch durch Sprache aus. Im Coaching konfrontiere ich meine Wahrnehmung in geeigneter Form.

Eine Frau, die für sich den Anspruch und das Ziel definiert hat, sich in eine Führungsposition zu entwickeln oder sich in der Hierarchie weiter zu bewegen, und häufig "man" nutzt, wird als zu wenig klar und straff in der Haltung wahrgenommen. 

Auch wenn heute Dominanz als Führungsqualität nicht mehr die Bedeutung hat, wie noch vor Jahren, werden doch Führungskräfte gesucht, die in der Lage sind, ihren Standpunkt zu vertreten, auch zu reflektieren, jedoch nicht bei jeder leichten Brise von vorn einzuknicken.


Sich und negative Erfahrungen aus der Distanz betrachten

In einer amerikanischen Studie haben Wissenschaftler*innen herausgefunden, dass Menschen "man" benutzen, um Bedeutung aus einer negativen Erfahrung zu gewinnen und diese aus der Distanz zu reflektieren. Dadurch vergewissern wir uns einerseits, dass andere evtl. die gleiche negative Erfahrung gemacht haben, dadurch spüren wir Zugehörigkeit. Andererseits wird die negative Erfahrung für uns und unsere Psyche erträglicher. In der Studie sollte eine Gruppe der Teilnehmenden von einem negativen Erlebnis, die andere Gruppe von einem neutralen Erlebnis berichten. In der Gruppe mit den negativen Erlebnisberichten wechselten die Teilnehmenden der Studie häufiger ins "man", was bei der Vergleichsgruppe kaum vorkam.


Was tun?

Wenn Du häufig von "man" sprichst, ist das bisher ein gewohntes Verhalten, das in der Regel unbewusst abläuft. Der erste Schritt ist es, Bewusstheit darüber zu erlangen und den möglichen Ursachen auf den Grund zu gehen.

Das kann durch bewusste Wahrnehmung der Kommunikationsmuster in Deinem Umfeld geschehen oder durch begleitete Reflexion. Kommunikation zu verändern, kann dauern. Gras wächst bekanntlich nicht schneller, wenn Du dran ziehst.

Insofern kann es je nach Ursache Teil Deiner Persönlichkeitsentwicklung sein,  darauf zu achten und bewusst zu trainieren, "ich" zu sagen.

Der Erfolg im Sinne Wahrnehmung Deiner Führungs-/Persönlichkeit von außen, tiefere Beziehungen zu den Menschen aus Deinem Umfeld und ein steigendes Selbstwertgefühl sind die Ernte und stellen sich allmählich ein. 

Du willst Dich persönlich weiter entwickeln? Sprich mich gern auf ein unverbindliches Kennenlernen an.

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Kommentare: 1
  • #1

    Anne Waidhas (Freitag, 12 Juli 2024 08:14)

    ich denke wir sollten versuchen Sprache zur Übermittlung von Informationen und nicht zur Verbreitung von Ideologien zu verwenden. Die Gegenwart ist so voller Desinformation durch ideologisierte Sprache dass es Hilfreich wäre darauf wenn möglich zu verzichten.